Ich habe 31 Tage lang auf Alkohol verzichtet, und das ist passiert

„Ein Monat ohne Alkohol? Ein Kinderspiel!“ Das dachte ich, als mir die Idee, im Oktober nüchtern zu bleiben, zum ersten Mal durch den Kopf schoss. Aber sollte es wirklich so einfach werden? Nun, ja und nein. Eines steht fest: In diesen 31 Tagen habe ich eine Menge über mich selbst gelernt.

Meine Geschichte

Obwohl ich im Alltag nicht besonders viel trinke, gab es für mich überzeugende Gründe, meine Beziehung zum Alkohol auf die Probe zu stellen. Allen voran hat das Aufwachsen mit Alkoholiker:innen in mir die tiefe Furcht erweckt, dass ich eines Tages denselben Weg einschlagen könnte.

Diese Furcht ist nicht völlig unbegründet; wissenschaftliche Studien betonen das erhöhte Risiko einer Abhängigkeitserkrankung für Kinder von Alkoholiker:innen, sowohl aufgrund genetischer Faktoren als auch aufgrund der Instabilität, der sie ausgesetzt sind.

Trotz meines Schwurs, nie Alkohol anzurühren, sehen sich solche Versprechen oft Herausforderungen gegenüber. Ich begann während meines Studiums zu trinken, völlig moderat zunächst. Doch die Dinge nahmen eine dunkle Wendung, als ich in meinen 20ern eine Beziehung mit jemandem einging, der bereits am Rande einer Sucht stand.

Mein damaliger Partner ließ das Trinken wie eine unbeschwerte, jugendliche Aktivität erscheinen und verband mit jeder Gelegenheit einen Drink. Kochen? Warum nicht ein Glas Wein dazu! Filmabend? Ein Bier hört sich gut an! Treffen mit Freunden? Ab in die nächste Bar!

Das Trinken schlich sich heimtückisch in unsere tägliche Routine ein. Ich fühlte mich zunehmend unwohl, weil mir bewusst wurde, dass dies weder normal noch gesund war. Nicht zuletzt deshalb begann ich eine Therapie und beendete meine damalige Beziehung.

Nun, 3,5 Jahre später, lebe ich mit einem Partner, der gänzlich auf Alkohol verzichtet, was sich sehr positiv auf mein eigenes Konsumverhalten auswirkt. Dennoch bemerke ich, dass es Situationen gibt, in denen ich Alkohol benutze, um mich wohler zu fühlen.

Deshalb, und aufgrund des hohen Suchtrisikos, das ich als erwachsenes Kind alkoholkranker Eltern in mir trage, halte ich es für entscheidend, meinen eigenen Konsum immer wieder kritisch zu reflektieren.

Wie mein Sober October lief

Um ehrlich zu sein, lief mein Sober October die meiste Zeit genauso, wie ich es erwartet hatte: einfach. Das liegt hauptsächlich daran, dass ich seit Beginn meiner Therapie und der Trennung von meinem damaligen Freund bereits viel über mich gelernt habe.

Mir war schon bewusst, dass ich Alkohol einsetze, um soziale Ängste zu lindern und mich extrovertierter zu machen, als ich eigentlich bin. Mittlerweile habe ich jedoch akzeptiert, dass ich ein Mensch bin, dessen soziale Batterie schnell leer ist.

Statt mir die Nächte mit Partys um die Ohren zu schlagen, bevorzuge ich es, Zuhause zu bleiben und Freund:innen zu einem Spieleabend einzuladen. Ich liebe es, ein gutes Buch in den Händen zu halten und früh ins Bett zu gehen, um am nächsten Morgen fit für eine Wanderung zu sein.

Durch dieses Wissen habe ich mich den Großteil des Monats gar nicht erst in Situationen begeben, in denen ich mit Alkohol konfrontiert wurde. Das änderte sich jedoch, als ich plötzlich mit einem meiner Trigger auseinandersetzen musste.

Mein Trigger

Wie in einem guten Film wartete der Endgegner meines kleinen Selbstexperiments am Schluss. Ich wurde zu einer Halloween-Party eingeladen. In dem Wissen, dass all meine Freund:innen dort sein würden, war die Vorfreude auf eine gute Zeit riesig.

Aber hier liegt der Haken: Ich wusste, dass es mich triggern würde. Massiv. Ohne Alkohol würde ich diese Party doch gar nicht genießen können, oder?

Zwei Wochen vor der Veranstaltung befand ich mich bereits in einem mentalen Ringkampf, in dem ich meine Optionen abwog: auf Nummer sicher gehen und die Veranstaltung auslassen? Oder doch zur Party gehen und versuchen, nüchtern zu bleiben?

Mitten im Chaos in meinem Kopf meldete sich eine dritte Stimme zu Wort und schlug vor:

„Der 31. Oktober ist im Grunde November. Du hast bewiesen, dass du einen Monat ohne Trinken auskommen kannst. Genieß es einfach.“

Diese Stimme klang sehr überzeugend. Was sollte ein Tag mehr oder weniger schon ausmachen?

Der Endgegner im Sober October

Immer noch unsicher, ob ich es ohne Alkohol schaffen kann — oder will — entschied ich mich, zu gehen. Aber nicht ohne einige Backup-Pläne in der Tasche zu haben.

Ich überzeugte meinen Partner, mich zu begleiten. Die Anwesenheit einer weiteren Person, die nicht trinkt, unterstütze mich emotional. Wir vereinbarten, dass ich zuerst mit ihm sprechen würde, sobald ich das Verlangen nach einem Drink verspürte.

Darüber hinaus legte ich mir einen Vorrat an alkoholfreien Getränken zu: alkoholfreies Bier, alkoholfreier Sekt, alkoholfreier Gin. Ich hatte alles davon dabei und auf der Party klammerte ich mich daran, als ob mein Leben davon abhinge.

Besonders am Anfang war es nicht leicht. Trotz meiner Freund:innen hatte die soziale Angst mich im Griff. Paranoia flüsterte Gedanken, als langweilig oder als Außenseiterin wahrgenommen zu werden (obwohl es keinerlei Anzeichen dafür gab, dass das irgendjemand dachte).

Obwohl meine Angst nie vollständig verschwand, ließ meine Unruhe im Laufe des Abends etwas nach. Am Ende hatte ich sogar tatsächlich Spaß, was dazu führte, dass mein Partner und ich bis 3 Uhr morgens blieben – und da war sie plötzlich, die triumphale Leistung von 31 Tagen ohne Alkohol.

Sober October: Das habe ich gelernt

Das Meiden von Situationen, die mit Trinken zu tun haben, haben den Sober October für mich zu einer relativ reibungslosen Reise gemacht – zumindest bis ich mit meinem Trigger konfrontiert wurde. Denn dann wurde meine anfängliche Einschätzung von einem „Kinderspiel“ ganz schnell zu einer ernsthaften Herausforderungen.

Obwohl die Party Ängste in mir ausgelöst hat, bin ich aufrichtig dankbar für sie. Sie hat mir verdeutlicht, worauf ich einen genauen Blick werfen muss, nämlich den Umgang mit Unsicherheit und sozialen Ängsten.

Durch die Konfrontation mit meiner Angst gelang es mir schlussendlich, eine korrigierende Erfahrung zu machen. Ich lernte, dass ich die Situation auch ganz ohne Alkohol bewältigen kann.

Vielleicht fühlt ihr euch durch mein Selbstexperiment dazu inspiriert, auch einen nüchternen Monat auszuprobieren und fragt euch, was euch bei der Abstinenz unterstützen könnte. Hier meine Erfahrungen dazu:

Ich habe mir genau überlegt, in welche Situationen ich mich hineinbegebe. Habt ihr das Gefühl, das Event bedroht eure Abstinenz, lasst es aus. Plant stattdessen etwas anderes, auf das ihr euch freut.

Auf der Party selbst spielten die alkoholfreien Getränke für mich eine existenzielle Rolle. Es half, etwas in den Händen zu halten. Es half auch, dass die Getränke aussahen wie Alkohol. Niemand stellte blöde Fragen. Außerdem fühlte ich mich durch die Getränke so gesättigt, dass ich nach kurzer Zeit gar nichts mehr trinken wollte.

Auch die Anwesenheit meines Partners unterstütze mich in zweifacher Hinsicht. Eine weitere nicht trinkende Person gab mir das Gefühl, nicht allein zu sein und die Vereinbarung, zuerst mit ihm über mein Verlangen nach einem Drink zu sprechen, machte die Aussicht aufs Trinken so viel mühsamer, dass es den Aufwand nicht mehr wert war.

Obwohl es keine nachhaltige Lösung ist, jemanden als Vorsichtsmaßnahme dauerhaft in seiner Nähe zu behalten, war es für meine ersten Schritte in die Nüchternheit unbezahlbar und betont die Bedeutung eines unterstützenden Netzwerks.

Habt keine Angst davor, nach Hilfe zu fragen!

Eine der Dinge, die mir jedoch am meisten geholfen haben, war ein Gespräch, das ich am Tag nach der Party mit einer Freundin geführt habe. Ich fragte sie, ob die Leute gemerkt hätten, dass ich nichts getrunken habe, ob sie dachten, ich sei seltsam, und gestand, dass ich mich unsicher fühlte. Ihre Antwort war:

Ich glaube nicht, dass die Leute das überhaupt bemerkt haben. Die waren alle mit sich selbst beschäftigt.

Während wir oft im Zentrum unserer eigenen Gedanken und Ängste stehen, richten andere viel weniger Aufmerksamkeit auf uns, als wir annehmen. Unsere Wahrnehmung muss also nicht mit ihrem Erleben übereinstimmen. Schon gar nicht, wenn sie unter dem Einfluss einer Substanz stehen!

Während ich meine Erfahrungen abschließend reflektiere, komme ich nicht umhin, mich zu fragen, wie sich meine Freund:innen am Tag nach der Party wohl gefühlt haben. Ich vermute mal schlecht.

Nach einer durchgefeierten Nacht ohne Kater aufzuwachen, fühlt sich dagegen großartig an. Auch deshalb bin zuversichtlich, dass dies nicht mein letzter nüchterner Monat gewesen ist.

Und wer weiß? Vielleicht ist ja der ein oder andere von euch auch neugierig geworden.

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