Tough, tougher, Lynette Scavo. Die Bewohnerin der Wisteria Lane nimmt die Dinge lieber selbst in die Hand als irgendetwas dem Zufall zu überlassen. Mit ihrem ausgeprägten Verantwortungsbewusstsein und ihrem starken Bedürfnis nach Kontrolle vereint sie gleich zwei Eigenschaften, die erwachsenen Kindern alkoholkranker Eltern häufig zugeschrieben werden.
Wer ist Lynette Scavo?
Lynette Scavo, gespielt von Felicity Huffman, ist ein fiktiver Charakter aus der US-amerikanischen Fernsehserie „Desperate Housewives“. Die Serie wurde von Marc Cherry erstellt und lief von 2004 bis 2012.
Lynette ist eine der Hauptfiguren in der Serie. Sie ist eine ehemalige Geschäftsfrau, die sich entschieden hat, Hausfrau und Mutter zu werden. Sie ist verheiratet mit Tom Scavo. Das Paar hat gemeinsam mehrere Kinder.
Lynette ist vor allem für ihre willensstarke Persönlichkeit und ihre Fähigkeit bekannt, mit den Herausforderungen des Familienlebens und der Nachbarschaft auf Wisteria Lane umzugehen. Doch hinter der Fassade ihres Charakters ist so einiges am Brodeln.
Lynette Scavo: Die verantwortungsbewusste und kontrollsüchtige Desperate Housewife
Bereits zu Beginn der Serie „Desperate Housewives“ istoffensichtlich, dass Lynette Scavo, Mutter von vier Kindern, stets an der Grenze eines Nervenzusammenbruchs steht. Doch vor allem wird klar: Sie hat das Sagen – und das zu Recht, denn vor Verantwortung schreckt sie nicht zurück.
Obwohl die einst erfolgreiche Geschäftsfrau ihr berufliches Zepter niedergelegt hat, behält sie ihre Führungsqualitäten bei und verwaltet ihre Familie mit derselben Entschlossenheit.
Ihr Ehemann Tom, gutherzig, aber naiv, erweist sich dabei nicht als große Hilfe. Während er ein fürsorglicher Partner und Vater ist, überlässt er die schweren Entscheidungen lieber seiner Frau. Toms sprunghafte Natur und die wiederholte Priorisierung seiner persönlichen Selbstverwirklichung vor der Sicherheit der Familie stehen dabei im Kontrast zu Lynettes sicherem Weg.
Mit einem realistischen Blick für Gefahren holt Lynette Tom bei riskanten Entscheidungen auf den Boden der Tatsachen zurück und sorgt dafür, dass seine Pläne funktionieren. Sie übernimmt auch die unangenehmen Aufgaben des Elternseins, während Tom als der lustige Dad gilt. Die Verantwortung für das Wohlergehen der Familie lastet somit auf Lynettes Schultern.
Felicity Huffman, die Lynette verkörpert, beschreibt ihren Charakter passend:
„Sie versucht immer, Dinge zu reparieren, die schief gehen.“
Dieser Zug zeigt sich auch in ihrem Berufsleben, wo sie als erfolgreiche Geschäftsfrau in der Werbebranche in leitenden Positionen agiert. Bei genauerer Betrachtung überrascht das nicht, denn Lynette vereint Eigenschaften wie Hartnäckigkeit und Realismus – ideale Voraussetzungen für einen Job mit viel Verantwortung.
Hinter der verantwortungsbewussten Fassade verbirgt sich jedoch eine zutiefst ängstliche Frau. Der Geschäftsfrau und Mutter fällt es extrem schwer, sich zu unterordnen. Wenn die Dinge nicht nach ihrem Kopf laufen, gerät sie aus der Fassung.
Dieses Verhalten entspringt einem tiefen Verlangen nach Kontrolle. Hat sie das Gefühl, diese zu verlieren, schreckt sie vor nichts zurück, um sie zurückzugewinnen – auch nicht vor hochgradig manipulativen Verhaltensweisen.
Hintergründe von Lynettes Verhalten
Lynettes kontrollierendes und manipulatives Verhalten gibt ihr das Gefühl von Sicherheit. Und das braucht sie. Dringend sogar. Denn ihr Drang, alles wachsam unter Kontrolle zu halten ist ein Überlebensmuster und für sie die einzig sichere Variante im Umgang mit anderen Menschen.
Doch ihr Kontrollbedürfnis kommt zu einem hohen Preis.
Um die Kontrolle zu behalten, muss man alles stets wachsam aufs Genauste beobachten. Das lässt weder Raum für Ungeplantes, Experimentelles oder gar Spielerisches, noch für Vertrauen.
Lynettes zahlreiche Versuche, stets die Kontrolle zu behalten, werden oftmals zur Belastungsprobe für ihre Beziehung. Ihre Vertrauensprobleme zeigen sich vor allem in ihrer anhaltenden Eifersucht, die sich letztlich stets als unbegründet erweist.
Liebe und Kontrolle lassen sich nicht ohne Weiteres verbinden. Doch die Kontrolle abzugeben bedeutet für Lynette, sich anderen auszuliefern. Und das bedeutet für sie: Gefahr.
Glücklicherweise hat sie in Tom einen Partner gefunden, der das versteht. In einem Gespräch mit seinem Nachbarn Roy verrät er, dass er ihr oftmals bewusst die Kontrolle überlässt, „weil sie dann das Gefühl hat, sie ist sicher“.
Tom hat also erkannt, dass Lynette eigentlich ein zutiefst ängstlicher Mensch ist. Und wenn man einen Blick in ihre Vergangenheit wirft, versteht man auch warum.
Lynettes Kindheit
Lynette erleidet schon früh in ihrem Leben einige Verluste. Zuerst verstirbt ihr Vater in jungem Alter. Schon bald darauf findet Lynette eine männliche Bezugsperson in Glen, dem neuen Ehemann ihrer Mutter Stella. Doch das Eheglück hält nicht lange. Glen verlässt die Familie.
Lynettes alkoholkranker Mutter gelang die angemessene Versorgung ihrer Kinder nicht. Deshalb übernahm Lynette diese Rolle und kümmerte sich um ihre jüngeren Geschwister. Lynette war also auf sich allein gestellt. Die einzige Konstante in ihrem Leben? Unsicherheit.
Dies hinterließ in ihr die allumfassende Angst, alles in ihrem Leben könnte plötzlich zusammenbrechen. Und das Behalten der vollen Kontrolle wurde für sie zur einzigen Möglichkeit sich sicher zu fühlen.
Wie repräsentativ ist Lynette Scavo aus Desperate Housewives?
Lynettes Verantwortungsbewustsein und ihr starkes Bedürfnis nach Kontrolle sind Eigenschaften, die erwachsenen Kindern alkoholkranker Eltern häufig zugeschrieben werden. Doch was sagt eigentlich die Wissenschaft dazu?
Laut einer Untersuchung von Beesley & Stoltenberg aus dem Jahr 2002 berichten erwachsene Kinder von Alkoholiker:innen ein signifikant höheres Kontrollbedürfnis als erwachsene Kinder von Nichtalkoholiker:innen.
Laut einer explorativen Untersuchung von Hinrichs und Kollegen passt Lynette zudem auch bezüglich ihres Verantwortungsbewusstseins gut ins Profil. Oder besser gesagt, in ein Profil.
Die Forscher klassifizierten 2011 verschiedene Subtypen von jugendlichen Kindern alkoholkranker Eltern, darunter die Überbewussten/Hochfunktionalen. Kinder die in diesen Subtyp fielen, zeichneten sich neben weiteren Eigenschaften durch ihre Durchsetzungsfähigkeit, ihre Wortgewandheit und ihr Verantwortungsbewusstsein aus.
Gemessen an diesen Studien ist Lynette also durchaus eine repräsentative Vertretung von Kindern alkoholkranker Eltern. Dabei darf man jedoch eine wichtige Sache nicht vergessen: Unter erwachsenen Kindern alkoholkranker Eltern gibt es nicht das eine Persönlichkeitsprofil.
Tatsächlich stellen Wissenschaftler:innen immer wieder fest, dass erwachsene Kinder von alkoholabhängigen Eltern keine homogene Gruppe sind, das heißt sich nicht alle unabweichlich in die gleiche Richtung entwickeln.
Erwachsene Kinder alkoholkranker Eltern sind sehr unterschiedlich. Demnach ist Lynette also nicht das, sondern ein typisches erwachsenes Kind alkoholabhängiger Eltern von vielen.
Doch die Frage, ob sie ein typisches erwachsenes Kinder alkoholkranker Eltern ist, ist eigentlich irrelevant. Wichtig ist die Frage, was wir von ihr lernen können:
Hinter Lynettes toughem Verhalten versteckt sich der Wunsch nach Stabilität, Sicherheit und Schutz. Ein Wunsch, den sicher jedes Kind alkoholkranker Eltern nachvollziehen kann.
Doch abgesehen davon steht Lynette Scavo mit beiden Beinen im Leben. Sie legte eine strahlende Karriere hin, lebt in einer gesunden, liebevollen Beziehung und kann ihren Kindern das Zuhause bieten, das sie nie hatte. Und all das können auch wir schaffen.
Quellen:
Ursula Lambrou: Familienkrankheit Alkoholismus: Im Sog der Abhängigkeit