3 Wege, Kindern von Alkoholikern und Alkoholikerinnen zu helfen

Ich habe heute ein kleines Experiment durchgeführt und das Ergebnis war erschütternd. Ich tippte bei einer Suchwort-Analyse „Hilfe für Kinder alkoholabhängiger Eltern“ ein. Dabei interessierte mich das Suchvolumen. Das Volumen gibt die Anzahl von Suchanfragen zu einem bestimmten Begriff in einer Suchmaschine an. Die Zahl: 0.

Innerhalb des letzten Monats tippte niemand diese Worte in Google ein. Mit Synonymen wie „Hilfe für Kinder von Alkoholikern“ oder „Hilfe für Kinder aus suchtbelasteten Familien“ verhielt es sich gleich. Zum Vergleich: „Hilfe für Alkoholabhängige Angehörige“ tippten immerhin 10 Personen ein, „Hilfe für Alkoholabhängige“ erhielt schon 20 Suchanfragen.

Dabei sind es gerade die Kinder, die Unterstützung brauchen, um mit der belastenden Situation zuhause umzugehen. Falls ihr euch als Eltern und Angehörige fragt, wie man Kindern von Alkoholikern und Alkoholikerinnen helfen kann, seid ihr hier genau richtig. Denn in diesem Text verrate ich euch 3 Dinge, die ich mir als Kind von meiner Familie gewünscht hätte.*

wie kann man Kindern von Alkoholikern und Alkoholikerinnen helfen: Ein Rettungsring für Betroffene
Wenn Zuhause Land unter ist, können 3 Dinge für die Kinder zum Lebensretter werden. Foto: Katja Anna Krug, Unsplash.

Warum Kinder von Alkoholikern und Alkoholikerinnen selten Hilfe bekommen

Dass Kinder alkoholabhängiger Eltern nur selten Hilfe bekommen, hat (mindestens) 3 Gründe:

  1. Menschen mit einer Suchterkrankung werden stigmatisiert. Betroffene empfinden häufig Schuld- und Schamgefühle.
  2. Die fehlende Krankheitseinsicht ist Teil der Erkrankung. Betroffene verleugnen die Erkrankung vor sich und vor anderen, teilweise bis zum Tod.
  3. Eltern möchten ihre Kinder schützen, indem sie die Krankheit verheimlichen. Sie hoffen, dass das Kind nichts von der Suchterkrankung mitbekommt oder zumindest keinen Schaden nimmt.

1. Über die Suchterkrankung reden

Kinder bekommen aber sehr viel vom Alkoholproblem ihrer Eltern mit. Durch das Schweigen lernen sie nur, nicht über ihre Gefühle zu reden. Bitte lügt eure Kinder auch nicht an. Sie spüren sowieso, dass etwas nicht stimmt. Bietet ihnen stattdessen Gespräche an. Erklärt ihnen in kindergerechter Sprache, was los ist.

Kinder alkoholkranker Eltern machen oft die Erfahrung, dass auf Redeversuche negative Konsequenzen folgen. Sie haben möglicherweise sogar Angst, dadurch das Trinken oder einen Rückfall zu provozieren. Diese Hürden müssen zunächst vorsichtig abgebaut werden. Sie müssen erst lernen, dass sie über die Erkrankung und ihre Gefühle reden dürfen.

Deshalb ergreift die Initiative und bietet den Kindern Informationen an. Erklärt ihnen die Erkrankung und was ihr dagegen unternehmt. Die Kinder sollten dabei das Gefühl haben, alles fragen zu können. Hört ihnen zu, ohne euch zu rechtfertigen. Redet so oft darüber, wie sie es brauchen. Allein mit diesem Schritt nehmen Eltern ihren Kindern eine große Last ab: Sie sind jetzt nicht mehr allein mit ihren Gefühlen.

2. Professionelle Hilfe in Anspruch nehmen

Doch das allein reicht nicht. Als Kind von alkoholkranken Eltern kann man nie komplett frei mit den Eltern sprechen. Manche Eltern lassen keine Gespräche zu, weil diese zu schmerzhaft sind. Manche Dinge kann das Kind nicht aussprechen, weil sie zu verletzend sind. Deshalb ist es ratsam, zusätzlich professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen.

Auch wenn beide Elternteile ihr Bestes geben, um ihrem Kind Beistand zu leisten, oft reicht das einfach nicht aus. Die Suchterkrankung fordert zu viele ihrer Kapazitäten ein. Kinder aus suchtbelasteten Familien brauchen dringend eine externe Person, mit der sie offen über all das sprechen können, was sie zuhause verschweigen.

Dafür bietet sich eine Kinder- und Jugendpsychotherapie an. Dies hat mehrere Vorteile: Zuhause steht häufig die betroffene Person im Vordergrund. Die Therapie stellt allein die Bedürfnisse des Kindes in den Mittelpunkt. Es lernt darüber zu sprechen, was zuhause passiert. Neben der Aufarbeitung werden auch Ressourcen der Kinder aktiviert. Man stärkt also, was ihnen Kraft gibt. Dadurch werden sie widerstandsfähiger.

Manche Familien haben Angst vor einem Sorgerechtsentzug und lassen deswegen keine professionelle Hilfe zu. Doch ein Psychotherapeut unterliegt der Schweigepflicht. Liegt keine massive Kindeswohlgefährdung vor, ist diese Sorge also unbegründet. Es ist Eltern sogar hoch anzurechnen, wenn sie trotz ihrer Scham- und Schuldgefühle Hilfe für ihre Kinder holen.

3. Abstand und Schutzräume schaffen

In unserer Gesellschaft wird dem Zusammenhalt der Familie ein hoher Wert beigemessen. Dazu gehört auch, dass Kinder mit beiden Elternteilen aufwachsen. Man geht unhinterfragt davon aus, dass Kinder nur so zu gesunden Erwachsenen heranwachsen. Das funktioniert aber nur in einem gesunden Familiensystem. Alkoholismus ist jedoch eine Erkrankung, die tief in diese Dynamik eingreift.

Wenn eine Suchterkrankung Ausmaße annimmt, bei dem Kinder die Leidtragenden sind, ist es an der Zeit, Abstand und Schutzräume zu schaffen. Zum Notfall auch mit einer (räumlichen) Trennung. Dies ist besonders angebracht, wenn Betroffene keine Krankheitseinsicht zeigen, oder wenn nicht-trinkende Elternteile nur wegen der Kinder bleiben.

Auch wenn die Trennung der Eltern schlimm scheint, ist sie nicht gegen den Schaden aufzuwiegen, den Kinder durch die jahrelang anhaltende Traumatisierung erleiden: Ängste vor dem nach Hause kommen, anhaltende Konflikte zwischen den Eltern sowie psychischer Missbrauch sind nur einige davon.

Die Vorstellung einer funktionierenden Familie ist schön. In der Realität funktioniert das nur leider nicht immer. Wenn Sucht die Zuverlässigkeit eines Elternteils verhindert, brauchen Kinder zumindest eine beständige Bezugsperson. Niemand kann jedoch vollständig für seine Kinder da sein, wenn er bzw. sie immer mit der Erkrankung der Betroffenen beschäftigt ist.

Eine (räumliche) Trennung schafft den benötigten Abstand. Nicht nur für die Kinder, sondern auch für sich selbst. Sie schafft außerdem einen Ort, an dem man weiß, was einen beim Öffnen der Haustür erwartet und an dem man sich wieder sicher fühlt. Eine (räumliche) Trennung schafft Schutz.

Wie man Kindern von Alkoholikern und Alkoholikerinnen helfen kann: Prävention

Eltern wünschen sich nur Gutes für ihre Kinder. Sie handeln nach besten Wissen und Gewissen. Es geht mir hier nicht darum, mit dem Finger auf Betroffene und Angehörige zu zeigen. Es ist nicht meine Absicht jemanden anzuklagen. Alkoholismus ist eine Krankheit, keine Charakterschwäche. Betroffene können nichts dafür. Eine Alkoholabhängigkeit ist jedoch schon für Erwachsene eine Herausforderung, die an die Belastungsgrenze bringt.

Kommen dann noch Kinder ins Spiel, muss unbedingt Schadensbegrenzung betrieben werden. Sie gelten als Hochrisikogruppe für eine spätere Alkoholabhängigkeit. Und ähnlich, wie man durch gute Ernährung und Sport körperliche Erkrankungen vorbeugen kann, kann man Kinder mit dem richtigen Verhalten unterstützen, trotz widriger Umstände zu einem gesunden Erwachsenen heranzuwachsen. Ist es das nicht wert, Scham- und Schuldgefühle auszuhalten? Und hey, von einer offenen Gesprächskultur, professioneller Hilfe und Schutzräumen profitieren doch am Ende nicht nur die Kinder, sondern wir alle.

Quellen:

Familienkrankheit Alkoholismus: Im Sog der Abhängigkeit

Bundesgesundheitsministerium: Kinder aus suchtbelasten Familien

 

*Anm.: Die hier beschriebenen Empfehlungen beruhen nicht ausschließlich auf wissenschaftlichen Erkenntnissen. Das heißt, ich habe hierfür keine Studien herausgesucht, die meine Aussagen unterlegen, wie ich sie sonst immer am Ende verlinke. Die beschriebenen Empfehlungen bieten viel eher Einblicke in die Erfahrungen und Wünsche einer persönlich Betroffenen.

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