3 Wege, Kindern von Alkoholikern und Alkoholikerinnen zu helfen

Ich habe heute ein kleines Experiment durchgeführt und das Ergebnis war erschütternd. Ich tippte bei einer Suchwort-Analyse „Hilfe für Kinder alkoholabhängiger Eltern“ ein. Dabei interessierte mich das Suchvolumen. Das Volumen gibt die Anzahl von Suchanfragen zu einem bestimmten Begriff in einer Suchmaschine an. Die Zahl: 0.

Innerhalb des letzten Monats tippte niemand diese Worte in Google ein. Für ähnliche Suchbegriffe, wie „Hilfe für Kinder von Alkoholikern“ galt das Gleiche.  „Hilfe für Alkoholabhängige“ erhielt dagegen 20 Suchanfragen.

Scheinbar suchen Menschen nach Hilfe für suchtkranke Personen, nicht aber für deren Kinder. Dabei ist besonders der Nachwuchs auf Unterstützung angewiesen, um besser mit der belastenden Situation umgehen zu können.

Falls ihr euch also fragt, wie man Kindern von Alkoholikern und Alkoholikerinnen helfen kann, seid ihr hier genau richtig. In diesem Text verrate ich euch 3 Dinge, die ich mir damals von meiner Familie gewünscht hätte.

Unterstützung zur Bewältigung des Alltags mit suchtkranken Eltern

Dass Kinder alkoholabhängiger Eltern nur selten Hilfe bekommen, hat (mindestens) 3 Gründe:

  1. Menschen mit einer Suchterkrankung werden stigmatisiert. Betroffene empfinden häufig Schuld- und Schamgefühle.
  2. Die fehlende Krankheitseinsicht ist Teil der Erkrankung. Betroffene verleugnen die Erkrankung vor sich und vor anderen, teilweise bis zum Tod.
  3. Eltern möchten ihre Kinder schützen, indem sie die Krankheit verheimlichen. Sie hoffen, dass das Kind nichts von der Suchterkrankung mitbekommt oder zumindest keinen Schaden nimmt.

1. Über die Suchterkrankung reden

Die gut gemeinte Intention der Eltern, ihre Kinder durch Schweigen zu schützen ist fehlgeleitet. Denn diese bekommen in der Regel mehr vom elterlichen Alkoholproblem mit, als diese wahrhaben wollen.

Durch das Schweigen lernen sie, dass das Thema verboten ist. Es verhindert, dass diese über ihre Gefühle sprechen.

Lügt die Kinder nicht an. Sie spüren, dass etwas nicht stimmt. Bietet ihnen stattdessen Gespräche an. Erklärt ihnen in kindergerechter Sprache, was los ist.

Kinder alkoholkranker Eltern machen oft die Erfahrung, dass auf Redeversuche negative Konsequenzen folgen. Sie haben möglicherweise sogar Angst, dadurch das Trinken oder einen Rückfall zu provozieren. Diese Hürden müssen zunächst vorsichtig abgebaut werden.

Deshalb ergreift die Initiative und bietet den Kindern Informationen an. Die Kinder sollten dabei das Gefühl haben, alles fragen zu können. Hört ihnen ohne Rechtfertigungen zu, auch wenn das schmerzhaft ist.

Redet so oft darüber, wie es die Kinder brauchen. Das allein nimmt ihnen eine große Last: Sie sind jetzt nicht mehr allein mit ihren Gefühlen.

2. Professionelle Hilfe in Anspruch nehmen

Kinder alkoholkranker Eltern können vermutlich niemals völlig frei mit ihren Eltern sprechen. Zumindest nicht, wenn es um deren Sucht geht.

Manche Eltern lassen keine Gespräche zu, weil diese zu schmerzhaft sind. Manche Dinge möchte das Kind nicht aussprechen, weil sie zu verletzend sind. Deshalb ist es ratsam, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen.

Auch wenn beide Elternteile ihr Bestes geben, um ihrem Kind Beistand zu leisten, reicht das oft nicht aus. Die Suchterkrankung fordert zu viele ihrer Kapazitäten ein.

Kinder aus suchtbelasteten Familien brauchen eine externe Person, mit der sie offen über all das sprechen können, was sie zuhause verschweigen. Dafür bietet sich eine Kinder- und Jugendpsychotherapie an.

Das hat gleich mehrere Vorteile: Zuhause steht häufig die betroffene Person im Vordergrund. Die Therapie stellt die Bedürfnisse des Kindes in den Mittelpunkt.

Kinder lernen, offen über die Erlebnisse zu Hause zu sprechen. Neben der Aufarbeitung werden auch Ressourcen aktiviert. Man stärkt, was ihnen Kraft gibt. Dadurch werden sie widerstandsfähiger.

Manche Familien haben Angst, dass sie in einer Therapie als schlechte Eltern dastehen oder ihnen gar das Sorgerecht entzogen wird. Doch das Gegenteil ist der Fall: ein Psychotherapeut wird es Eltern hoch anrechnen, dass sie sich trotz Scham und Angst für das Wohl ihrer Kinder einsetzen.

Auch die Angst vor einem Sorgerechtsentzug ist in der Regel unbegründet. Ein Psychotherapeut unterliegt der Schweigepflicht. Liegt keine massive Kindeswohlgefährdung, z.B. in Form körperlicher oder sexueller Gewalt, gibt es nichts zu befürchten.

3. Abstand und Schutzräume schaffen

In unserer Gesellschaft wird dem Zusammenhalt der Familie ein hoher Wert beigemessen. Wer sich trennt, gilt als gescheitert.

Unhinterfragt geht man davon aus, dass Kinder zu resilienten Erwachsenen werden, wenn sie mit beiden Elternteilen aufwachsen. Das mag für ein gesundes Familiensystem stimmen. Alkoholismus ist jedoch eine Erkrankung, die tief in die Familiendynamik eingreift.

Wenn eine Suchterkrankung Ausmaße annimmt, bei dem Kinder die Leidtragenden sind, ist es an der Zeit, Abstand und Schutzräume zu schaffen. Zum Notfall auch mit einer (räumlichen) Trennung. Dies ist besonders angebracht, wenn Betroffene keine Krankheitseinsicht zeigen, oder wenn nicht-trinkende Elternteile nur wegen der Kinder bleiben.

Auch wenn die Trennung der Eltern schlimm scheint, ist sie nicht gegen den Schaden aufzuwiegen, den Kinder durch die jahrelang anhaltende Traumatisierung erleiden: Ängste vor dem nach Hause kommen, anhaltende Konflikte zwischen den Eltern sowie psychischer Missbrauch sind nur einige davon.

Die Vorstellung einer funktionierenden Familie ist schön. Die Realität sieht oft anders aus. Wenn Sucht die Verlässlichkeit eines Elternteils einschränkt, brauchen Kinder zumindest eine beständige Bezugsperson. Jemanden, der emotional nicht vollständig in der Suchterkrankung verstrickt ist.

Eine (räumliche) Trennung schafft den benötigten Abstand. Nicht nur für die Kinder, sondern auch für sich selbst. Sie schafft einen Ort, an dem man weiß, was einen beim Öffnen der Haustür erwartet. An dem man sich wieder sicher fühlen kann. Eine (räumliche) Trennung schafft Schutz.

Wie man Kindern von Alkoholikern und Alkoholikerinnen helfen kann: Prävention

Eltern wünschen ihren Kinder nur das Beste. Mit dieser Intention handeln sie auch. Es geht mir nicht darum, mit dem Finger auf Betroffene und Angehörige zu zeigen.

Es ist nicht meine Absicht jemanden anzuklagen. Alkoholismus ist eine Krankheit, keine Charakterschwäche. Betroffene können nichts dafür. Eine Alkoholabhängigkeit ist jedoch schon für Erwachsene eine Herausforderung, die an die Belastungsgrenze bringt.

Kommen Kinder ins Spiel, muss Schadensbegrenzung betrieben werden. Sie gelten als Hochrisikogruppe für eine spätere Alkoholabhängigkeit. Doch ähnlich wie bei körperlichen Erkrankungen, kann man präventive Maßnahmen ergreifen.

So können sie trotz widriger Umstände zu gesunden, widerstandsfähigen Erwachsenen heranwachsen. Ist es das nicht wert, Scham- und Schuldgefühle auszuhalten? Und hey, von einer offenen Gesprächskultur, professioneller Hilfe und Schutzräumen profitieren am Ende nicht nur die Kinder, sondern wir alle.

Quellen

Familienkrankheit Alkoholismus: Im Sog der Abhängigkeit

Bundesgesundheitsministerium: Kinder aus suchtbelasten Familien

*Anm.: Die hier beschriebenen Empfehlungen beruhen nicht ausschließlich auf wissenschaftlichen Erkenntnissen. Das heißt, ich habe hierfür keine Studien herausgesucht, die meine Aussagen unterlegen, wie ich sie sonst immer am Ende verlinke. Die beschriebenen Empfehlungen bieten viel eher Einblicke in die Erfahrungen und Wünsche einer persönlich Betroffenen.

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