3 Dinge, die in meinem Haushalt als erwachsenes Kind suchtkranker Eltern völlig normal sind

Ein Selbst-Bericht über die unkonventionelle Realität eines Haushalts, der den eigenen Alkoholkonsum bewusst hinterfragt und die Erfahrungen, die damit einhergehen.

Als jemand, der in einem Haushalt aufgewachsen ist, in dem der Alkoholismus den Alltag beherrschte, lernte ich schnell, dass Normalität für meine Familie eine andere Bedeutung hatte. Auch wenn von außen alles in Ordnung aussah, drehte sich hinter verschlossenen Türen alles um die Sucht meiner Mutter und ihres Partners.

Zu sehen, wie meine Mutter sich regelmäßig in die Besinnungslosigkeit trank und ihr Partner zweimal pro Woche intoxikiert und aggressiv nach Hause taumelte, erschütterte mich zutiefst. Ich machte mir selbst ein Versprechen: Ich würde einen anderen Weg gehen.

Mein Leben (fast) ohne Alkohol

Als ich älter wurde, setzte ich mir selbst strenge Regeln, um zu verhindern, dass ich in dieselbe Falle tappte. Diese Regeln prägten mein neues „normal“ und mein Leben (fast) ohne Alkohol.

Einige dieser Regeln habe ich für euch zusammengefasst. Hier findet ihr die 3 Dinge, die in meinem Haushalt völlig normal sind – einige davon sind vielleicht nicht das, was ihr erwartet.

Bloß kein Feierabend-Bier

Viele deutsche Haushalte betrachten das Öffnen eines Bieres zum Feierabend oder ein Glas Wein zum Abendessen als Entspannungsritual. Es ist eine sozial akzeptierte Norm, die als harmloser Weg betrachtet wird, sich nach einem harten Arbeitstag zu belohnen.

Für mich liegt eine solche Gewohnheit außerhalb meiner Vorstellungskraft.

Natürlich verstehe ich, dass nicht jeder, der nach der Arbeit etwas trinkt, auf dem Weg zum Alkoholismus ist. Dennoch frage ich mich oft, warum sich jemand eine solch schädliche Angewohnheit antrainiert.

Warum das Risiko eingehen?

Was mich am meisten überrascht, ist die defensive Reaktion, die ich oft erhalte, wenn ich diese Bedenken äußere. Die Leute scheinen aufgebracht zu sein, als ob ich sie um ihre wohlverdiente Belohnung bringen wollte.

Doch wenn jemand wirklich kein Problem mit Alkohol hat, warum ruft dann der einfache Vorschlag, das eine Bier einfach wegzulassen, so starke Emotionen hervor? In solchen Momenten frage ich mich, ob das Bedürfnis nach dem Feierabendgetränk tiefer geht, als nur eine kleine Belohnung. Schlussendlich beginnt eine Sucht nämlich oft mit „nur“ einem Feierabend-Bier „zum Abschalten“, wie z. B. dieser Bericht eindrucksvoll zeigt.

In meinem Haushalt ist das Fehlen eines Feierabend-Bieres oder einem Glas Wein zum Essen jedenfalls keine Entbehrung; es ist eine bewusste Entscheidung, körperliche Gesundheit und geistiges Wohlbefinden zu priorisieren und dabei einen Umgang mit Stress zu finden, bei dem ich mich nicht betäuben muss.

Eine Bar – voller alkoholfreier Alternativen

Nur weil ich so gut wie keinen Alkohol trinke, bedeutet das nicht, dass ich keine Bar habe. Ich liebe es, mich mit köstlichen alkoholfreien Getränken zu verwöhnen, mit Zutaten zu experimentieren und herauszufinden, was mir schmeckt.

Inzwischen habe ich eine umfangreiche Sammlung von Rezepten, mit denen ich in Sekundenschnelle einen köstlichen Drink für Gäste zaubern kann. Manchmal lade ich meine Freunde für Mocktail-Tastings ein und wir machen einen Wettbewerb daraus, das beste Getränk zu finden.

Und der Mocktail-Spaß beschränkt sich nicht nur auf zu Hause. Wann immer ich zu einer Party eingeladen bin, werfe ich mein Cocktail-Set in den Rucksack. Als eine Person, die mit sozialen Ängsten kämpft, verhindert das Halten eines schick aussehenden Getränks, dass ich hastig zum nächsten Glas Wein greife (und andere daran, mir etwas Alkoholisches in die Hand zu drücken).

Tatsächlich habe ich gelernt, dass es meistens nicht der Alkohol ist, der meine Angst lindert, sondern Zeit – die ich mir geben kann, indem ich in die Küche gehe, um mir ein alkoholfreies Getränk zu mixen. Dies ist eine weitere Strategie für mein Leben (fast) ohne Alkohol.

Geöffnete (aber nie fertig getrunkene) Weinflaschen

Auch wenn ich mich größtenteils vom Alkohol distanziert habe, ist seine Präsenz in meinem Zuhause kein Tabu. Vor allem Weinflaschen tummeln sich geradezu in meinem Vorratsschrank.

Dafür gibt es verschiedene Gründe: Die meisten davon habe ich zum Kochen verwendet und dann nicht mehr gebraucht. Bei anderen handelt es sich um ein nie geöffnetes Geschenk.

Es gibt Fälle (wenn auch selten), in denen ich mir mit Freund:innen ein Glas teile. Doch selbst dann bleibt die Flasche in der Regel halbvoll.

Und obwohl sich das für eine Person, die tagtäglich über die Gefahren von Alkohol aufklärt, falsch anfühlt, macht es mich ein bisschen stolz, dass ich ein Glas Wein trinken und es dabei belassen kann – denn das war nicht immer so.

Wahrscheinlich ist es längst überfällig, die angestaubten Flaschen wegzuwerfen. Der Wein ist inzwischen sowieso mit ziemlicher Sicherheit zu Essig mutiert. Aber als jemand, der damit aufgewachsen ist, jede Flasche im Haus so schnell wie möglich zu eliminieren, sind sie fast wie Trophäen, die mir zeigen, dass ich mein Ziel erreicht habe. Ich habe mein Leben ohne Alkohol im Griff.

Jeder sollte jedoch ganz genau in sich hineinhorchen, ob er das wirklich kann. Wer sich von Alkohol im Haus getriggert fühlt, sollte auf sein Gefühl hören und die Flaschen entsorgen. Jeder Mensch ist anders. Was für mich funktioniert, kann für andere ein Desaster sein – vor allem bei einer so suchtgefährdeten Gruppe wie wir es sind.

Verliebt in mein Leben ohne Alkohol

Wenn ich die „Normalität“ in meinem Elternhaus mit meinem heutigen Zuhause vergleiche, in dem Alkohol im Regal stehen kann, ohne angerührt zu werden, und in dem alkoholfreie Alternativen das Getränk der Wahl sind, erkenne ich, wie weit ich gekommen bin. Vielleicht wird meine Beziehung zum Alkohol nie unbelastet sein, aber ich mag mein Leben ohne Alkohol und meine neue Realität weit mehr als die, die ich einst kannte.

2 Antworten auf „3 Dinge, die in meinem Haushalt als erwachsenes Kind suchtkranker Eltern völlig normal sind“

  1. Die Trophäe Flaschen (gar angebrochene) im Haus zu haben besitze ich auch und nehme sie als Geschenk an. Das ist für mich das ultimative Zeichen, dass Alkohol keine Macht mehr über mich hat.

    Das noch etwas ultimativere Zeichen ist es, immer einen Fingerhut Wein aus dem Glas meiner Partnerin trinken zu können – und zu dürfen.

    Beides sind keine Empfehlungen, die man als Abstinenzler in spe für sein zukünftiges Leben bekommt. Es war und ist ein Risiko. Aber ich hatte und habe den Eindruck, dass es mich auf meinen Weg stabilisiert.

    1. Hi Guido,

      jeder muss für sich selbst erkennen, was für ihn/sie funktioniert. Dafür, dass du den Absprung geschafft hast, ziehe ich meinen Hut!

      Vielen Dank für deine Kommentare!

      Liebe Grüße,
      Alina

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert