Cornelia Hoppe schildert in Säuferkind ihre Kindheit, die von der Alkoholabhängigkeit ihrer Eltern geprägt war, und gewährt einen ungeschönten Einblick in ein Leben, das von Armut, Scham und frühzeitiger Verantwortung bestimmt wurde.
20.01.2025, 19:00 VON ALINA
Transparenz ist mir wichtig: Das Buch Säuferkind wurde mir kostenlos für eine Rezension zur Verfügung gestellt. Die hier geteilten Eindrücke und Meinungen sind jedoch uneingeschränkt meine eigenen.
Aufgewachsen mit einem unterstützenden Netzwerk – sowohl finanziell als auch emotional – waren meine Mutter und ich alles andere als das, was man sich unter einer typischen „Alkoholikerfamilie“ vorstellt.
Deshalb bin ich immer darauf bedacht, mit den gängigen Vorurteilen aufzuräumen: Alkoholkranke leben nicht zwangsläufig am Rand der Gesellschaft.
Und dennoch gibt es sie – Eltern, deren Sucht die Familie in bittere Armut stürzt. Kinder, die mit Scham und Verantwortung aufwachsen und von klein auf um ihr Überleben kämpfen. Cornelia Hoppe ist eines dieser Kinder.
In Säuferkind, herausgegeben von Ullstein Taschenbuch und 2024 erschienen, gewährt sie gemeinsam mit dem Journalisten Wigbert Löer einen schonungslosen Einblick in ihre Kindheit. Ihre Geschichte bestätigt auf den ersten Blick Stereotype, offenbart auf den zweiten jedoch die komplexen Dynamiken suchtgeprägter Familien.
Über Säuferkind
Zusammenfassung der Biografie
Cornelia Hoppe führt von frühester Kindheit an ein Leben, das für sie selbst normal erscheint, für andere jedoch unvorstellbar ist. Im St. Pauli der 70er Jahre, nahe der Reeperbahn, wächst sie in einer Welt aus tristen Trinkerkneipen und zwielichtigen Gestalten auf.
Ihre Eltern, beide schwer alkoholkrank, sind kaum in der Lage, ihre Jobs zu behalten, geschweige denn, sich um ihre Kinder zu kümmern. Es gibt niemanden, der Verantwortung für sie übernimmt.
Schon als kleines Mädchen ist Cornelia also auf sich selbst gestellt. Mit gerade einmal vier Jahren achtet sie darauf, regelmäßig ihre Zähne zu putzen. Nur wenige Jahre später sorgt sie dafür, wenigstens halbwegs regelmäßig zur Schule zu gehen – selbst dann, wenn sie in der Nacht zuvor kaum geschlafen hat.
Freundschaften schließt sie dort jedoch kaum. Sie ist zurückhaltend. Sie möchte nicht auffallen. Gleichzeitig dürfen Kinder nicht mit ihr spielen, da ihre Familie als „asozial“ gilt.
Die Scham über ihre Eltern und ihre Lebensumstände begleitet sie wie ein Schatten. Doch während Cornelia in ihrer Umgebung große Not und Vernachlässigung erlebt, wollen die meisten Außenstehenden nicht zu genau hinsehen.
Die wenigen Hilfsversuche, die Cornelia bekommt, kann sie nicht annehmen. Ihre Angst vor dem Jugendamt, das ihre Familie trennen könnte, hindert sie daran, sich irgendwem anzuvertrauen.
Dicht, gnadenlos und zugleich beinahe trocken schildert Cornelia in Wir Kinder vom Bahnhof Zoo-Manier ihre Erfahrungen. Sie erzählt von den prägenden Momenten ihrer Kindheit: vom ständigen Umziehen, von Vernachlässigung, von Konflikten, die jederzeit eskalieren konnten.
Selbst als sie älter wird und versucht, ein normales Leben zu führen, bleibt die Sucht ein ständiger Begleiter. Sie begegnet ihr nicht nur in ihrer Kernfamilie, sondern später auch in ihrer Ehe. Erst spät wird Cornelia bewusst, wie tief die Dynamiken der Sucht in ihrem Leben verwurzelt sind.
Mit schonungslosem Blick beschreibt sie den Kampf, diesen Teufelskreis zu durchbrechen. Säuferkind ist nicht nur ein Bericht über eine schwierige Kindheit, sondern auch eine Erzählung über die unsichtbaren Fesseln suchtgeprägter Bindungen und den Mut, sich zu befreien.
Meinung zu Säuferkind
Säuferkind ist kein literarisches Meisterwerk. Der Schreibstil ist nicht besonders kunstvoll oder ausgeklügelt – und genau das macht seinen Charme aus. Es liest sich wie ein Gespräch am Küchentisch: ehrlich, direkt und ohne Schnörkel.
Cornelia Hoppe nimmt die Leser:innen mit in ihre Welt und lässt sie ihre Kindheit und Jugend so erleben, wie sie sie selbst empfunden hat: roh, schmerzhaft und geprägt von Sorgen.
Ihre Schilderungen lösten viele Emotionen in mir aus, darunter Mitgefühl für das kleine Mädchen, das viel zu früh erwachsen werden musste, und Bewunderung für die Frau, die trotz allem an ihrer Stärke festhielt. Die Ehrlichkeit, mit der sie von Scham, Zweifel und Schwächen erzählt, macht sie für die Leser:innen nahbar und glaubwürdig.
Cornelia Hoppes Geschichte führt mir wieder einmal eindrücklich vor Augen, wie prägend und vielschichtig – und dabei doch gleichartig – die Erlebnisse mit suchtkranken Eltern sein können. Besonders beeindruckt hat mich ihr Wille, trotz aller Widrigkeiten einen Ausweg für sich, und später auch ihre Kinder, zu finden.
Fazit
Säuferkind ist ein wichtiges Buch. Es beleuchtet nicht nur die persönlichen Erfahrungen von Cornelia Hoppe, sondern auch gesellschaftliche Missstände: die Isolation durch Vorurteile, die Unsichtbarkeit der Not von Kindern suchtkranker Eltern und die Schwierigkeit, aus einem Kreislauf aus Scham und Verantwortung auszubrechen.
Das Buch fordert auf, die Stigmatisierung suchtkranker Familien zu hinterfragen und erinnert uns daran, dass Kinder in suchtgeprägten Familien oft die stillen Leidtragenden sind.
Ihr Bericht ist eine Aufforderung, genauer hinzusehen, betroffenen Kindern Gehör zu schenken und Hilfe zugänglich zu machen. Gleichzeitig vermittelt es eine Botschaft der Hoffnung – es zeigt, dass Veränderung und Ausbruch möglich sind, auch wenn der Weg dorthin steinig ist.
Säuferkind ist eine Empfehlung für alle, die bereit sind, sich mit den harten, aber wichtigen Realitäten auseinanderzusetzen. Eine ergreifende Lektüre – unbequem, mutig und dringend notwendig.
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