Ein Zwiegespräch zwischen der Sucht und der Tochter einer alkoholkranken Mutter in Gedichtsform.
Wer bist du?
Ich bin sie.
Das ist nicht wahr!
Für dich ist’s klar.
Dein Name ist Sucht.
Ihr ist’s nicht bewusst.
Ich hasse dich!
Doch sie braucht mich.
Ich muss sie teilen?
Sie gehört mir allein.
Macht sie mal Schluss?
Sie versucht’s.
Gibst du sie frei?
Nein.
Das Gedicht steht stellvertretend für alle Kinder, alle Angehörigen, die eine Person mit einer Suchterkrankung lieben. Meine Mutter kämpfte jahrelang mit ihrer Alkoholabhängigkeit und ich erinnere mich noch heute an all die Gefühle, die damals in mir tobten.
Als ich noch keinen Namen für ihre Erkrankung hatte, fühlte ich Verwirrung. Die Person, die vor mir stand, sah zwar wie meine Mutter aus, hatte aber ansonsten nicht viel mit ihr gemeinsam. Oder wurde ich langsam verrückt?
Als sie mir von ihrer Erkrankung erzählte, brach meine Welt zusammen. Jetzt hatte ich einen Namen für das, was meine Mutter wie ein Dämon in Besitz genommen hatte. Sie kämpfte. Und verlor immer wieder.
Ich erinnere mich an all die Lügen, die mich immer wieder an meinem Verstand zweifeln ließen und an die tiefe Verzweiflung, die ich bei jedem ihrer Rückfälle fühlte. Ich hasste die Sucht. Ich hasste, dass sie mir meine Mutter wegnahm. Und ich dachte, dass ich nicht wichtig genug bin, um die Substanz endgültig hinter sich zu lassen.
Meine Mutter hat den Absprung irgendwann geschafft. Sie lebt seit vielen Jahren ein alkoholfreies Leben. Hat die Sucht ihren Griff um sie also gelockert? Für jetzt, ja. Ich hoffe, es wird so bleiben. Denn wenn ich eins weiß, dann dass Sucht niemanden jemals einfach so gehen lässt.