5 Gründe, warum ich meine toxischen Beziehungen niemals bereuen werde

Kinder alkoholkranker Eltern halten laut Selbsthilfe-Literatur oftmals krampfhaft an Beziehungen fest – auch wenn sie darin todunglücklich sind. Aus persönlicher Erfahrung kann ich dieser Beobachtung nur zustimmen. Dennoch bereue ich keine einzige davon. Und dafür gibt es 5 Gründe.

Jede Beziehung erteilte mir wertvolle Lektionen, die mich zu der Person machten, die ich heute bin. In diesem Blogpost erfahrt ihr, um welche Lektionen es sich handelt und was nach einer Trennung wirklich hilft.

Lektion 1: Fixierung auf Partner:innen ist ein grosses No No.

Mit 17 ging ich meine erste ernsthafte Beziehung ein. Als junge Frau, die keine Ahnung davon hatte, wie gesunde Liebe aussieht, hielt ich den Vorschlag meines damaligen Partners bereits nach 3 Monaten zu ihm zu ziehen für romantisch. was hilft nach einer Trennung

Nach meinem Einzug wurde mir jedoch schnell klar, dass hinter seinem Vorschlag nicht Liebe, sondern Kontrollsucht steckte. Lautstarker Streit stand an der Tagesordnung – besonders, wenn ich etwas mit Freunden unternehmen wollte.

Also isolierte ich mich immer weiter von der Außenwelt. Nach 2 Jahren hatte ich fast niemanden mehr.

Er log mich an und überschritt persönliche Grenzen regelmäßig, doch Lügen und Grenzüberschreitungen kannte ich schon aus meinem Elternhaus. Vielleicht war das der Grund, warum ich mich trotz all dem nicht lösen konnte.

Eine Trennung erschien mir schlichtweg undenkbar. Die Kosten einer Wohnung konnte ich ja niemals allein tragen und überhaupt – wen hatte ich denn schon außer ihn?

Eins müsst ihr verstehen: Als ich eine Beziehung mit diesem Menschen einging, befand ich mich emotional auf dem tiefsten Tiefpunkt meines Lebens. Ich suchte verzweifelt nach irgendeinem Halt – der perfekte Nährboden für eine emotionale Abhängigkeit.

Im Nachhinein betrachtet war es also ein Geschenk des Himmels als er sich schließlich trennte und mich kurzerhand aus seiner Wohnung schmiss. Es zwang mich zum Handeln und leitete den ersten wichtigen Schritt in ein besseres Leben ein.

Wie sich zeigen sollte, hatte ich mich geirrt: Ich stand nicht völlig allein da. Denn meine verloren geglaubten Freund:innen waren schneller als der Blitz wieder an meiner Seite.

Sie boten mir nicht nur eine Schulter zum Weinen, sondern auch Unterschlupf. Ehrlich gesagt weiß ich bis heute nicht, wie ich diese Lebensphase ohne sie hätte überstehen sollen.

Dank ihnen blühte ich in kürzester Zeit wieder auf.  Nein – ich wuchs sogar über mich hinaus. Obwohl ich nie wieder in diese Partnerschaft zurückkehren würde, bin ich ihr dankbar für meine erste kostbare Lektion:

Es ist gefährlich, alles und jeden für Partner:innen zu vernachlässigen. Unternehme von Zeit zu Zeit etwas nur für dich und pflege deine Freundschaften.

So wichtig ist ein soziales Netzwerk

Die Harvard Study of Adult Development verfolgt seit über 80 Jahren die Leben von ursprünglich 724 Männern, ihren Lebenspartner:innen und nun auch ihren Kindern. was hilft nach einer Trennung

Die vermutlich längste Studie der Welt verfolgt das Ziel, herauszufinden, was Menschen wirklich glücklich macht. Ihr bisheriges Fazit ist eindeutig: Befriedigende zwischenmenschliche Beziehungen halten uns glücklich und gesund.

Der Studienleiter Robert Waldinger berichtet in einem Ted Talk aus dem Jahr 2016 von den 3 Schlüssellektionen, die sie aus ihren Daten ziehen:

  1. Soziale Verbindungen sind sehr gut für uns und Einsamkeit bringt uns um: Sozial eingebundene Menschen sind glücklicher, gesünder und leben länger.
  2. Nicht die Anzahl der Beziehungen, sondern deren Qualität ist bedeutend: Konfliktreiche Beziehungen wirken sich negativ auf unsere Gesundheit aus, wohingegen erfüllende Verbindungen schützend wirken.
  3. Gute Beziehungen schützen nicht nur unseren Körper, sondern auch unser Gehirn: Menschen in unsicher gebundenen Beziehungen leiden früher unter Gedächtnisproblemen.

Zudem scheinen sozial eingebundene Menschen seltener an Depressionen zu erkranken und auch nach großen, lebensverändernden Ereignissen wie einer Scheidung besser zurechtzukommen.

Lektion 2: Ich brauche Hilfe

Wie sich zeigen sollte, gelang mir die Unabhängigkeit in einem zweiten Beziehungsversuch schon besser – zumindest vorerst.

Denn im Verlauf unserer Partnerschaft, entwickelte mein damaliger Freund eine zunehmende Suchtproblematik. Und je weiter er in seine Abhängigkeit schritt, desto dreckiger ging es mir.

Im Gegensatz zu meiner ersten Beziehung gelang es mir zwar nun, meine Freundschaften zu pflegen, doch insgeheim fraß mich seine Selbstzerstörung immer weiter auf. Meine Gedanken kreisten nur noch um ihn und seinen Konsum – und das wirkte sich auf meine mentale Gesundheit aus. was hilft nach einer Trennung

Ich gestand mir ein, dass ich Hilfe brauchte und suchte mir einen Therapieplatz. Das war mein zweiter großer Schritt in ein besseres Leben.

Kognitive Umstrukturierung und ihre Vorteile

In der Therapie erarbeitete ich Strategien, die mir schlussendlich den Mut zur Trennung gaben. Ich suchte das Positive im Negativen, indem ich mir immer wieder vor Augen führte, dass

  • mich jeder überstandene Tag weiter weg vom Trennungsschmerz brachte, was hilft nach einer Trennung
  • ich lieber ein Ende mit Schrecken erlebte, als ein Schrecken ohne Ende
  • eine Trennung den Raum schuf, jemanden kennenzulernen, der mich glücklich macht.

Dieses Vorgehen, also die aktive Veränderung dysfunktionaler Gedanken, ist ein anerkanntes psychologisches Verfahren, das sich kognitive Umstrukturierung nennt.

Mein Mut lohnte sich. Schnell erwachte in mir das Gefühl, von einer riesigen Last befreit zu sein. Ohne das Gewicht der Sucht auf meiner Brust konnte ich endlich wieder atmen.

Plötzlich erwischte ich mich dabei, wie ich in der Küche und unter der Dusche aus voller Kehle meine Lieblingssongs mitgrölte. Ich war entspannt. Ich war energetisiert und ich war frei.

Tatsächlich fanden Forscher:innen der Carnegie Mellon und der Northwestern University heraus, dass wir Menschen uns Liebeskummer schlimmer vorstellen, als er tatsächlich ist.

Dafür baten sie Personen, die sich zu dieser Zeit in Partnerschaften befanden, einzuschätzen, wie sie sich im Falle einer Trennung fühlen würden. Dann fragten sie die Teilnehmenden in regelmäßigen Abständen nach deren Beziehungsstatus.

Nach 9 Monaten verglich das Forschungsteam die eingangs gemachten Schätzungen derjenigen Personen, die sich getrennt hatten, mit der tatsächlichen Erfahrung.

Die Daten sprachen eine eindeutige Sprache: Die Versuchspersonen lagen falsch. Sie erlebten die Trennung als nicht so schrecklich und niederschmetternd, wie sie gedacht hatten.

Lektion 3: Ich muss an meinem Selbstwert arbeiten

Die Trennung nagte trotz des Befreiungsgefühls an meinem ohnehin schon instabilen Selbstwert. Dabei ist dieser maßgeblich bestimmend für unser Leben. 

Er beeinflusst nicht nur, wie wir mit uns selbst umgehen, sondern auch unsere Gesundheit und unser Wohlbefinden in Beruf und Beziehungen. Mit einem hohen und stabilen Selbstwert stehen die Chancen auf ein zufriedenes Leben also gut.

Deshalb beschloss ich, wieder mehr Genuss, Freude und Spaß in meinen Alltag zu bringen. Das beeinflusst nicht nur unseren Selbstwert, sondern fördert auch die Verarbeitung von Trennungen.

Ich nahm mir wieder mehr Zeit für Aktivitäten, denen ich schon während der Beziehung gerne nachgegangen war. Ich traf mich mit Freund:innen, nahm Kontakt zu alten Bekannten auf und kümmerte mich um meine Tiere.

Doch dabei allein blieb es nicht: Ich nutzte die Trennung als Chance, mich selbst wiederzuentdecken. Endlich hatte ich die Ressourcen, all den Interessen nachzugehen, die ich aufgegeben oder gar nicht erst ausprobiert hatte, weil sie meinem damaligen Partner „zu langweilig“ gewesen waren.

Ich machte ausgedehnte Spaziergänge und ging wandern, sammelte Bärlauch und entspannte mich in einer Sauna, die ich zusammen mit meinem besten Freund mit eigenen Händen gebaut hatte.

So hilfreich sind Aktivitäten bei der Trennungsverarbeitung

Hobbys helfen uns bei der Trennungsverarbeitung. Denn statt allein und isoliert in unserem Gedankenkarussell zu versinken, machen wir durch sie positive Erfahrungen.

Sie lenken uns also nicht nur kurzzeitig von unserem Liebeskummer ab, sondern ermöglichen auch, dass wir uns gut fühlen – etwas, das wir in einer solch verändernden Lebensphase alle gut gebrauchen können!

Eine Untersuchung von Dr. Gary Lewandowski und sein Team zeigt, dass besonders eine Art von Aktivitäten die Nase vorn hat; nämlich diejenigen, denen wir aufgrund der Partnerschaft nicht (mehr) nachgegangen sind.

Das Forscherteam bat frisch getrennte Menschen entweder Routine-Aktivitäten auszuüben oder Aktivitäten zur Wiederentdeckung des Selbsts aufzunehmen. Teilnehmende der letzteren Gruppe erlebten weniger Identitätsverlust, negative Gefühle und Einsamkeit.

Außerdem berichteten sie mehr positive Gefühle, Wohlbefinden, Lebenssinn und Selbstakzeptanz. Es ging ihnen deutlich besser als der Vergleichsgruppe – nur aufgrund der Aktivitäten, denen sie 2 Wochen lang nachgegangen waren. was hilft nach einer Trennung

Es lohnt sich also, sich nach einer Trennung auf sich selbst und die eigene Wiederentdeckung zu konzentrieren. Es steigert nicht nur den Selbstwert, sondern beschleunigt auch die Bewältigung des Liebeskummers.

Lektion 4: Ich überstürze Beziehungen ohne zu wissen, wonach ich suche

Ich hatte das Liebesdrama endgültig satt. Warum gingen den Anderen Beziehungen scheinbar mühelos von der Hand, während ich ich immer wieder in Liebes-Pleiten trat?

Die Antwort darauf ist relativ simpel: Ich nahm es beim Kennenlernen nicht ganz so genau mit meinen Grenzen. Sobald ich jemanden interessant fand, schenkte ich ihm mein Herz.

Ich überprüfte nicht, ob diese Person auch meine Bedürfnisse erfüllen konnte. Das endete ohne Ausnahme in großen Enttäuschungen. Denn wenn die Person sich als ungeeigneter Partner entpuppte, hing ich emotional bereits zu tief drin für die angemessene Konsequenz.

Stattdessen akzeptierte ich Grenzverletzung über Grenzverletzung. Mein einziges Druckmittel waren leere Drohungen, die mit leeren Versprechungen erwidert wurden.

Dabei ist es kein Wunder, dass ich genau bei den Partnern landete, die mir nicht gerecht wurden: Ich hatte nur eine ungefähre Vorstellung davon, wo meine Bedürfnisse und Grenzen überhaupt lagen und stellte diese für meinen Partner auch noch bereitwillig hinten an.

Selbstreflexion ist der Schlüssel

Mit den Grenzverletzungen durch Andere sollte nach dem letzten Liebesdrama ein für alle Mal Schluss sein – und zwar durch eine ordentlichen Portion Selbstreflexion.

Ich schaute mir vergangene Beziehungen an und überlegte, was mir daran nicht gefallen hatte. Das führte mir vor Augen, welche Qualitäten ein zukünftiger Partner mit sich bringen musste.

Das wiederum hielt ich in einer Liste fest. Hier ein kleiner Auszug daraus:

  • kein Alkohol- oder anderweitiger Drogenkonsum
  • muss gleichanteilig im Haushalt helfen
  • muss kommunizieren können
  • muss bereit sein, sich in mein Leben zu integrieren (z.B. auch Zeit mit meinen Freund:innen verbringen)

In einer zweiten Liste hielt ich fest, woran ich erkennen konnte, dass mir jemand nicht gut tat:

  • häufiges bis ständiges Grübeln über die Person oder ihr Verhalten
  • nimmt viel (negativen) Gesprächsraum ein
  • extreme Streits mehrmals im Monat; keine Lösungsfindung & keine Kompromissbereitschaft

Heute blicke ich mit gemischten Gefühlen auf diese Liste. Einerseits bin ich stolz darauf, denn sie hat mich damals wirklich weiter gebracht.

Andererseits bin ich entsetzt. Aus heutiger Sicht sollten die Punkte in meinen Augen für jeden den absoluten Mindestanspruch darstellen.

Heute ist mir klar, dass ich mich damals mit viel zu wenig zufrieden gegeben habe. Ich schätze, das nennt man Fortschritt.

Auch beim Kennenlernen nahm ich ganz bewusst das Tempo raus. Ich traf mich nur mit zeitlichem Abstand und war sehr vorsichtig, wenn es um den Austausch von Zärtlichkeiten ging.

So gelang es mir, die Person emotional nüchtern zu betrachten. Jedes Date wurde zu einer Prüfung, die einzig und allein der Klärung folgender Frage diente: Kann mich dieser Mensch glücklich machen?

Lektion 5: Mit der richtigen Person wächst man über sich hinaus

Meine letzte Trennung ist nun drei Jahre her und ich könnte nicht glücklicher sein. Ich würde alles wieder genau so machen – auch ohne mein persönliches Sahnehäubchen auf dem Kuchen:

Mit viel Therapie, Selbstreflexion und meiner Liste fand ich einige Zeit nach besagter Trennung einen Menschen, der mir endlich geben konnte, was ich gesucht hatte.

Er ist verständnisvoll, unterstützend und emotional stabil. Er ist der lustigste Mensch, den ich kenne. Und er erteilte mir meine vorerst letzte Lektion:

Mit der richtigen Person wächst man über sich hinaus.

Statt mich einzuschränken, kann ich mich nun ausprobieren. Statt mich selbst jeden Tag ein bisschen mehr zu verlieren, lerne ich mich heute jeden Tag etwas besser kennen. Egal was ich aktuell versuche, ich weiß, er hält mir den Rücken dabei frei. 

Jetzt wo ich meine Energie nicht mehr mit Sorgen und Ärger verschwende, kann ich sie in mich und mein Wachstum stecken. Ich hatte wahrhaftig nicht gewusst, dass das möglich ist!

Und nun das Paradoxe: früher hätte ich eine solche Beziehung vermutlich als langweilig abgetan. Denn in gewisser Weise war ich süchtig nach dem Auf und Ab einer dysfunktionalen Beziehung.

Ich verwechselte die Aufregung mit Liebe. Heute schätze ich die Ruhe in einer Beziehung. Ich weiß nun, dass stabile Partnerschaften nicht langweilig sind. Im Gegenteil: Liebe war noch nie so aufregend. Und für dieses Wissen bin ich meinen toxischen Beziehungen auf ewig dankbar.


Welche Erfahrungen habt ihr mit dysfunktionalen Beziehungen gemacht? Lasst es mich doch in den Kommentaren wissen!


Quellen

Harvard-Studie: Waldinger, R. Harvard Study of Adult Development. Harvard Medical School; Massachusetts General Hospital.

Der Einfluss sozialer Kontakten nach einer Trennung: Krumrei, E., Coit, C., Martin, S., Fogo, W. & Mahoney, A. (2007). Post-Divorce Adjustment and Social Relationships. Journal of Divorce & Remarriage, 46(3-4), 145–166.

Der Einfluss sozialer Kontakte auf die psychische Gesundheit: Santini, Z. I., Koyanagi, A., Tyrovolas, S., Mason, C. & Haro, J. M. (2015). The association between social relationships and depression: a systematic review. Journal of affective disorders, 175, 53–65.

Schmerzen durch Liebeskummer vorhersagen: Loewenstein, G. (2008). Mispredicting distress following romantic breakup: Revealing the time course of the affective forecasting error. Journal of Experimental Social Psychology, 44(3), 800–807.

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